Vor nunmehr drei Monaten packte ich, Gabriel Pech, kurz nach Erringung meines Abiturs und Führerscheins, meine Koffer, sagte „Lebt wohl!“ und stieg in den Bus, der mich geschlagene 21 Stunden später schließlich in Riga wieder ausspuckte. Viele hatten mich vorher gefragt „Warum denn Lettland?“, worauf ich immer nur sagen konnte: „Es ist halt so passiert.“ Auch für mich war das kleine Land im Baltikum vorher ein weißer Fleck; es ist wirklich wie zufällig dazu gekommen, da ich Lettland bei meinen Auswahlländern nur als Drittwunsch angegeben hatte, dennoch sofort dafür angerufen wurde. Mittlerweile bin ich sehr zufrieden mit meiner Wahl, denn Lettland ist klein, aber fein.
Zuerst aber: Was mache ich hier eigentlich? Ich bin für insgesamt zehn Monate unterwegs mit einer Organisation der Ev. Freiwilligendienste, dem DJiA (Diakonisches Jahr im Ausland). Ich arbeite in der ev. luth. Gemeinde Alt St. Gertrude in Riga. Dort bin ich vor allem zuständig für die Tontechnik, unter-stütze aber auch die Suppenküche und begleite das wöchentliche Taizé Gebet. Momentan habe ich noch relativ viel Freizeit, was es mir ermöglicht, dieses kleine Land mit dem sauren Gemüse ein wenig besser kennenzulernen.
Lettlands Tourismus-Motto lautet offiziell „Nimm dir Zeit“ oder auf Englisch „best en-joyed slowly“ (dt: „am besten langsam genießen“) und das reflektiert auf vieles. Die Landschaft ist nicht auf-regend – viele Bäume, keine Berge, ein paar Flüsse und Seen und ein Stück Meer, aber nichts Atemberaubendes, Überwältigendes oder nie Dagewesenes ist dabei. Alles ist dafür eher einladend und familiär, man muss die Augen aufmachen, dann stolpert man immer wieder über die Schönheiten dieses Landes.
Meinen Aufenthalt hier hätte ich zeitlich wohl kaum besser abpassen können, denn gerade jetzt passiert in Lettland politisch unglaublich viel. Der Titel der Weltkulturhaupstadt 2014, das Jugendtreffen der Taizé-Gemeinschaft im September, die EU-Ratspräsident-schaft, die Europride in Riga sowie Spannungen und Ängste gegenüber Russland, vor allem im Baltikum, all das setzt den europäischen Fokus wieder mehr in den Nordosten. Für mich persönlich ist es spannend, in einem Land des Umbruchs zu leben, in dem alles ein bisschen kleiner und dadurch auch unmittelbarer wird. Die Vergangenheit der langen Besatzung ist hier noch sehr real und die russische Minderheit sehr groß; Lettland hat seinen Weg zu Unabhängigkeit und Aufschwung noch nicht beendet.
Gabriel Pech
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